Full text: Band 21 (N.F) (XXI=57)

DAS AMBRASER HOFJAGDSPIEL 
Von Her Warth Röttgen 
Seal vnde vedirspil, 
des ist in minis herren houe uil. 
König Rother, 2!)S. 
Auf Seite 465 des vom 30. Mai 1596 stammenden Inventars über die Verlassenschaft Erzherzog 
Ferdinands von "Pirol auf Schloß Ambras steht der Satz: Mer in ainem Milzen trühel, so grau angestrichen, 
darinnen ein Icartenspill von Kunden, lueder, Kranich, habich und mannen, so zu rosz siezen 1 . Gemeint ist 
ein besonders reizvolles Werk der deutschen Malerei des 15. Jahrhunderts, das jetzt im Kunst- 
historischen Museum in Wien auf bewahrte „Ambraser Hof jagdspiel“ 2 . Ihm ist die vorliegende 
Abhandlung gewidmet. 
Lebensnähe der Erfindung, Höhe der künstlerischen Ausführung, stilistische Herkunft aus dei 
Tafelmalerei eines führenden Meisters und unmittelbarer Einblick in Gepflogenheiten der Maler 
werkstatt, das sind die besonderen Anziehungspunkte des Werkes. Hinzu kommt, daß das Spiel 
unvollendet ist und sozusagen für die Dauer einer Betrachtung mitten aus dem Werkstattbetrieb 
herausgenommen wurde. Um so erstaunlicher, daß die Karten bisher so gut wie nicht beachtet, 
geschweige denn bearbeitet sind. Nur hier und da findet sich eine Erwähnung . 
Das Spiel bestand ursprünglich aus sechsundfünfzig Karten zu vier Suiten von Reihern, Falken, 
Hunden und Federspielen (lueder). Die Kartenwerte gehen von Eins (As) bis Zehn (Banner). Es folgen 
Unter, Ober, Königin und König. Jede Suite umfaßt also vierzehn Karten. Nur zwei Karten - Falken- 
Acht und Hunde-Zwei gingen verloren. Erhalten sind also noch vierundfünfzig Karten. 
Die ursprüngliche Zahl von sechsundfünfzig Karten entspricht dem venezianischen Tarock, ohne die 
eigentlichen Tarockkarten. Sie unterscheidet sich von der in Deutschland vorherrschenden Zahl von 
achtundvierzig oder zweiundfünfzig Karten 4 . Gedacht war das Spiel für zwei und mehr Personen. 
Die dunkelrote Färbung der Rückseiten sollte verhindern, daß der Gegenspieler durch die Karten 
sehen konnte, was bei den teilweise weiß gebliebenen Rückseiten des unvollendeten Spiels möglich ist . 
Die Maße jeder einzelnen Karte betragen 155 bis 157:95 mm und entsprechen also dem großen Format 
der frühen Spiele, wobei sie allerdings noch vom Stuttgarter Spiel mit 190:120 mm übertroffen werden. 
Die auffällige Größe dieser frühen Karten stimmt mit zeitgenössischen Darstellungen überein, auf denen 
die Spieler immer nur wenige Karten in der Hand halten 6 . 
Jede Karte besteht aus mehreren Lagen von übereinandergeklebtem Papier. Der letzte Bogen auf 
der Rückseite ist größer und wurde auf die Vorderseite umgeschlagen, so daß er als Rand des Karten 
bildes dient Der Arbeitsvorgang war sodann folgender: nachdem die Darstellung mit der Feder eingehend 
vorgezeichnet und die Hintergründe auf König- und Damekarten mit Echtgoldbronze, also Malergold, 
bedeckt worden waren (das Gold hat heute einen etwas bronzeartig bräunlichen Charakter), begann die 
eigentliche Bemalung. Die Farben wurden analog der Tafelmalerei deckend oder lasierend auf die aus- 
i) W. Boeheim (Hrsg.), Urkunden und Regesten aus der k. k. Hofbibliothek, Nr. 5556 (Cod. Mscrpt. 8228, fob 465) in: Jahr 
buch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Bd. 7. Wien 1888. Teil 2, Quellen zur Geschichte der Kaiserlichen Haus- 
Sammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses, S. XCI-CCCXI1I (zit, h. GGC VJIl). 
*) Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums in Wien, Inv.Xr. 5018 5071. 
4) Eine Übersicht über Kartenanzahl und Kartenmaße bei W. L. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, Straßburg G 
™LteiÜ D ie Kartenrückseiten in ihrer Bedeutung für die zeitliche Festlegung der Spielkarten in: Thüringische Studien 
Festschrift der Thüring. Landesbibliothek, Altenburg 1936, S. 123-133. Verf. gibt irrtümlich an, daß nur das Stuttgarter Spiel 
auf der Rückseite getönt sei. „ , . ., , . 
4) Dieser Hinweis schon bei M. «EISBERG, Das Kartenspiel der Kgl. Staats- und Altertümer-Sammlung m Stuttgart, m: Studien 
zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 132, Straßburg 1910, S. 20.
	        
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