Full text: Band 15 (N.F.) (XV=51)

STUDIEN ÜBER DIE ANWENDUNG DES HELLDUNKELS 
IN DEN WERKEN GUIDO RENIS 
VON GÜNTHER HEINZ 
Die Werke Guido Renis bieten in der Ordnung ihrer Entstehungszeit einen guten Einblick in die 
Aufgaben der Barockmalerei, die in mehrmaligem Richtungswechsel in ihrer Entwicklung einmal 
revolutionär einen Bruch mit der Vergangenheit bewirkt, einmal wieder rückblickend aus dieser An 
regung sucht, deren Geschichte also in einem häufigen Absetzen und wieder Neubeginnen fortschreitet. 
Dementsprechend findet sich auch, je nachdem welche Schaffens]ahre eines Künstlers und welche Arten 
seiner Ausdrucksweise im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, die Zahl der Hauptmeister einmal als 
revolutionäre Neuerer, einmal als nachgeborene Renaissancekünstler bezeichnet, wie dies zum Beispiel 
bei Caravaggio, bei Annibale und Reni der Fall ist 1 . Der Weg der Untersuchung kann von zwei Seiten 
her beschritten werden, nämlich von den theoretischen Grundlagen der Bildideen oder von den Möglich 
keiten der Umsetzung der Bildidee in die konkrete Gestalt des Einzelwerkes. 
Von der grundlegenden Arbeit Otto Kurz’ in diesem Jahrbuch 2 , der ersten kritischen Betrachtung 
des Gesamtwerkes von Reni, ist die Forschung bis zu den Interpretationen Gnudis 3 fortgeschritten. 
Besonders die Arbeiten Mahons 4 haben die theoretischen Grundlagen der Stilentwicklung in helles Licht 
gerückt und der Betrachtung der Einzelwerke als sinnfällige Zeichen der kunsttheoretischen Gedanken 
welt des Zeitalters eine feste Basis verschafft. Die Fragen der Errungenschaften in der Geschichte des 
Malens, der Technik im weitesten Sinne, ursprünglich ein großes Anliegen der Kunstgeschichte, treten 
in den Hintergrund, sie werden im einzelnen nur in den Katalogen erörtert. 
Schon in der ältesten Literatur und den Quellen wird Neuerung und Rückblick an Hand der Ausdrucks 
mittel betrachtet, die maltechnische Neuerung im weiteren Sinn als Grund des Wandels im Erscheinungs 
bild der Werke eines Abschnittes des Kunstschaffens gesehen. Wenn auch die alte Vorstellung des 
stilistischen Fortschrittes längst revidiert ist 5 , ist doch nicht zu übersehen, daß ein und dasselbe Aus 
drucksmittel bei den verschiedenartigsten Charakteren auftritt und, obwohl zu verschiedenem Zweck 
angewendet, doch einen verwandten Effekt hervorbringt, daß also von den verschiedenartigsten Indi 
vidualitäten in einer und derselben Art über die Wahl des Mittels der künstlerischen Verwirklichung 
ihrer an sich verschiedenen Ideen gedacht wird und daß deren Werke daher im Effekt ähnlich sind. Die 
Variationen der Anwendungsart eines und desselben Ausdrucksmittels ist also an sich ein interessanter 
Vorwurf der Untersuchung, wobei noch eine weitere Frage aufgeworfen wird: Bietet nicht das einmal 
angewendete Mittel selbst Anregung zu bestimmtem Ausdruck des Bildes und beeinflußt womöglich 
auch die künstlerische Interpretation des I hemas und schließlich, gibt es eine vorgezeichnete Ent 
wicklung in der Anwendungsart eines Ausdrucksmittels, die einen Zwang auf die künstlerische Ent 
wicklung auszuüben imstande ist? Renis Entwicklungsgang bietet ein gutes Beispiel in der Geschichte 
des Ausdrucksmittels des Helldunkels, da in seiner Schaffenszeit von zirka 1602/03 bis 1642 die 
1) g, Bergmans, Denis Calvart, peintre Anversois fondateur de L’ecole Bolonaise (Academie royale de Belgique, Classe de beaux 
arts, Memoires)! Bruxelles 1934. läßt z. B. Reni ganz als Epigonen des 10. Jahrhunderts erscheinen. Ähnliches bei Guido Giongo, 
Guido Reni giovane, Commentari III, 1952. Charakteristisch ist die Beurteilung Caravaggios, wo auf der einen Seite Longhi 
(sowie die älteren Autoren, wie Kallab. sodann Venturi, L’Arte 19, Zahn, Pevsner und Schudt) auf der anderen Seite Berenson 
und bis zu einem gewissen Grad Benkard als Antipoden gegeneinander stehen. In den Quellen, die das Empfinden der Zeitgenossen 
überliefern, ist das Gegensatzpaar bereits anzutreffen, wie z. B. in der von Malvasia überlieferten Vorliebe Renis für Calvart, 
seine Verehrung der großen Meister des 16. Jahrhunderts, in der überlieferten Beobachtung vom Giorgionismus Caravaggios, 
aber zugleich in der Behauptung des revolutionär Neuen im Naturalismus dieses Meisters etc. Vgl. die Zusammenfassung der 
Probleme hei R. Hinks, Michelangelo Merisi da Caravaggio, London, 1952. Das ganze Problem des „Eklektizismus“ (vgl. 
Mahon, Studies in Seicento Art and Theory, London 1947) gehört außerdem in diesen Zusammenhang. 
2 ) Neue Folge XI/1937, p. 189 — 220, Otto Kurz, Guido Reni. 
3 ) Mostra di Guido Reni, Catalogo critico a cura di Gian Carlo Cavalli con la collaborazione di Andrea Emiliani e di Lidia 
Puglioli Mandelli, saggio introduttivo di Cesare Gnudi. Bologna 1954. 
4 ) Die grundlegende Arbeit, Denis Mahon, Studies op. cit. bietet den Einblick in das Gebiet der Beeinflussung der Stilgeschichte 
von seiten des Theoretischen und schafft dadurch die Möglichkeit, auch umgekehrt das Ausdrucksmittel allein in demselben 
Blickwinkel zu untersuchen. 
5 ) Daß auch Riegl (Entstehung der Barockkunst in Rom, Wien 1908, p. 154) einer technischen Erfindung bedeutende Folgen 
in der Stilgeschichte zuschreibt, kann als Beleg gelten, daß die im prinzipiellen dargelegte, die „Technik“ als stilbildenden 
Faktor ausschließende Theorie sich in dem Gebiet der Einzelforschung nicht durchhalten läßt,
	        
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