Ludwig Baldass
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109. Giorgione, Madonna von Castelfranco (Detail)
110. Giorgione, Madonna, Madrid (Detail)
Jahre 1517 bis 1521 zu datieren. Wenn man betrachtet, wie frei und klar Tizian in den Altarbildern
in Ancona und Brescia eine Bewegung entwickelt, wie ausladend und mächtig seine Gesten sind, welches
Pathos dort die Figuren erfüllt, wird der gefühlsbedingte giorgioneske Charakter der Figur doppelt
klar. Schon die Gestalten der 1511 vollendeten Paduaner Fresken Tizians sind fortgeschrittener, bereits
hier sind die Körper viel klarer und freier entfaltet. Keine Figur eines Andachtshildes Tizians zeigt
die lyrische Empfindsamkeit dieses heiligen Georg. Die Figur ist in starker Bewegung wiedergegeben.
Auch in der Landschaft und im Drachenleib bemerken wir eine damit korrespondierende Unruhe. In dem
wenigen, was von dieser Landschaft gegeben ist, vor allem in dem stark bewegten Himmel, zeigt sich
ein lebendiges Naturempfinden. Da Wolken und Bäume summarischer behandelt sind, als in den andern
Werken Giorgiones, kann das Bild nur am Ende seiner kurzen Lebenszeit entstanden sein.
Die stilkritisch bestimmten Altarbilder Giorgiones zeigen uns, daß sich der Künstler für das
Andachtsbild, das keine Handlung, sondern einen Zustand wiedergibt, ein bestimmtes Schema aus
gebildet hat. Stärkste Bedeutung wird dem Stimmungsfaktor beigeinessen. Er spricht aus Haltung
und Gesichtsausdruck der Figuren, aber auch aus der Landschaft, die selbst in den Fällen, wo sie nur
angedeutet ist, die Gesamtwirkung mitbestimmt.
3. Die profanen Bilder mit landschaftlichen Szenen
A. Die gut beglaubigten Bilder
Die in Landschaften gestellten profanen Darstellungen offenbaren uns am klarsten das eigentliche
Wesen der Kunst Giorgiones. Alle seine Werke dieser Art sind für Wohnräume geschaffen. Einige dieser
Bilder beschreibt Marcantonio Michiel knapp, aber höchst anschaulich. Die stilälteste dieser Kompo
sitionen ist uns nur in einer kleinen Kopie von Teniers und in dem wahrscheinlich nach dieser Kopie
von T. van Kessel verfertigten Stich in „Teniers’ Theatrum pictorium“ (vgl. 8.165, Abb. 160) bekannt. Das
verschollene Original war 1659 in der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm. Bei der Analyse des
Bildaufbaues bewahrheitet sich Middels chronologische Schlußbemerkung: ,,fu delle sue prime opere“.