Ludwig Münz,
Abb. 172. Rembrandt,
»Christus und die Samaritanerin«.
Ungefähr originalgroßer Ausschnitt
aus der Radierung B. 70.
Abb. 173. Rembrandt, »Christus orans«.
Vergrößerter Ausschnitt aus der Radierung B. 67
(Abb. 143).
EXKURS.
Zur Datierung von B. 67.
D ,e Radierung B. 67 wird von Hind wie von Seidlitz um 1652 datiert. Der Grund für diese zeitliche Ansetzung muß
wohl die Verwandtschaft im linearen Aufbau mit der 1652 datierten Zeichnung »Homer, Verse vortragend«, HdG. 1234, sein,
da gerade äußerliche Stilmerkmale, die doch sonst bei Betrachtungen, die der alten kunsthistorischen Methode entsprechen
ausschlaggebend sind, in diesem Falle unberücksichtigt blieben. Denn, um eines dieser äußeren Stilmerkmale zu erwähnen’
die weitgehende Verblockung der einzelnen Figur auf der Radierung B. 67 widerspricht durchaus dem Figurenstil der
Radierungen Rembrandts vom Beginn der h ünfzigerjahre, wie er sich etwa in der Radierung B. 65 »Der Knabe Jesus vor den
Schriftgelehrten« von 1652 zeigt. Erst die Radierungen, die mit dem Jahre 1654 einsetzen, wie die »Beschneidung« B. 47,
zeigen deutlich ausgeprägt die gleiche blockhafte Gesamtform der Figuren, die sich mit einer Parallelschraffur verbindet, welche
an die Stelle einer noch am Beginn des fünften Jahrzehnts herrschenden detailreicheren Innenzeichnung getreten ist. Auch
in der Art der Charakterisierung der Figuren, dem viel härteren, viel stärkeren Akzentuieren derselben als typischer Träger
eines bestimmten Ausdrucks, hinter dem die individuelle Charakterisierung zurücktritt, ergeben sich für B. 67 näher liegende
I arallelen mit jenen Werken, die 1655/56 entstanden sind. Ja, eine Radierung wie B. 29 »Abraham bewirtet die Engel« zeigt
sogar eine äußere, wörtliche Übereinstimmung von Köpfen, die in früheren Werken Rembrandts nicht Vorkommen. Der Kopf
des Engels, der im Profil neben Gottvater auf dieser Radierung dargestellt ist, entspricht völlig dem eines Mannes mit Barett,
der sich auf B. 67 als Zuhörer in der Gruppe der Pharisäer und Schriftgelehrten befindet. Ebenso stimmt der Engel von
orientalischem Typus auf der anderen Seite von Gottvater auf der Radierung »Abraham bewirtet die Engel« mit dem Kopf
des Apostels auf B. 67, der zu Christi Füßen versunken dasitzt, überein. Beides Köpfe, denen Anregungen durch jene indischen
Miniaturen zugrunde hegen, welche Rembrandt in der Zeit um 1655 auf seine Art kopierte (vgl. dazu die Zeichnungen nach
indischen Miniaturen, Val. 638, 643). Aber noch viel schlagender weist von »äußeren« Ähnlichkeiten die ganz nahe Verwandt-
sc at des Antlitzes Christi auf B. 67 (wie man es auf einer Vergrößerung deutlich sieht [Abb. 173]) mit dem Antlitz Christi
auf Rembrandts Radierung »Christus und die Samaritanerin«, B. 71, vom Jahre 1658 (Abb. 172) auf ein Entstehen weit später
als 1652, nahe an 1658 hin. 1
Es müssen also für Hind und Seidlitz wohl Gründe kompositioneller Natur dafür maßgebend gewesen sein, daß trotz
diesen äußeren Ähnlichkeiten, die eine Datierung in eine spätere Zeit wahrscheinlich machen, die Radierung B. 67 um 1652