Abb. 275. Stammbuchblatt von Hans Vermeyen. Universität Göttingen, Graphische Sammlung.
EINE ZEICHNUNG VON HANS VERMEYEN.
D as hier publizierte anspruchslose Stammbuchblättchen im Besitz der Graphischen Sammlung der Universität Göttingen 1 hätte
vor kurzem noch kaum Interesse erregt; von dem Sohn des bekannteren Malers Jan Vermeyen wußte man kaum mehr
als die Tatsache, daß er Kammergoldschmied Rudolfs II. gewesen ist. Nun aber mit einem Schlage sein Name als der des
mutmaßlichen Meisters der österreichischen Kaiserkrone 2 viel genannt ist, wird neben neu publizierten literarischen Urkunden 3
auch eine künstlerische Urkunde Platz finden dürfen — auch wenn sie bescheiden ist und die Frage nach der Identität des
Hans Vermeyen mit dem Schöpfer der Krone nicht klar zu beantworten vermag.
Daß es sich um ein sicheres Werk Vermeyens und um ein Erinnerungsblatt für einen guten Freund handelt, erhellt
aus der Inschrift der Rückseite, die in zierlichen Buchstaben folgende Poesie und Widmung enthält:
Niet sonder moytte, op hope van gewin,
Sietmen den Lantman den oogst verbeyden
So oöck de Lieffhebbers der Consten met hert en sin
Moeten gestadig, oock neerstig arbeyden,
Souden sy haer inden Lusthoff der Consten vermeyden 4 .
Ter begeerte (?) I francisco van der
meulen desen 5. Junio 1603 in Prag
Hans vander meyden.
(Hiebei ist natürlich das letzte Reimwort »vermeyden« eine Anspielung auf des Künstlers Namen, der in der Unter
schrift nur eine seiner strengeren Formen angenommen hat, ebenso wie der des Freundes Vermeulen.)
Das Motiv der Zeichnung ist durchaus charakteristisch für die stilistischen Gepflogenheiten der Prager Manieristen
gruppe. Das unruhig bewegte Kind findet sich ähnlich öfters schon bei dem Haupt der Schule, Bartholomaeus Spranger, z. B.
1 Kreide auf bläulichem Papier, 109x154 mm. — Aus dem Vermächtnis des Frankfurter (!) Ratsherrn J. F. von Uffen-
bach an die Universität von 1769.
2 Vgl. Weixlgärtner in diesem Jahrbuch 1928.
3 Vgl. Zülch und Chytil in diesem Jahrbuch 1929; vorher schon Boeheim, ebenda 1889, Quellen Nr. 5565, 5575, 5576
(danach Modern, ebenda 1894, S. 66). — Van Mander-Floerke, I, 194 (danach Sandrart, ed. Peltzer, S. 108); Quad, Teutscher
Nation Herrlichkeit, Köln 1609, S. 433.
4 Nicht ohne Arbeit, in Hoffnung auf Gewinn, sieht man den Landmann die Ernte erwarten; so müssen auch die den
Künsten mit Herz und Sinn Zugetanen stetig und fleißig arbeiten, wenn sie sich im Lusthof der Künste ergehen wollen.
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