Full text: Band 4 (N.F.) (IV=40)

DER MEISTER DES LOUIS DE BRUGES. 
HIN BRÜGGER BUCHMALER AUS DEN SIEBZIGERJAHREN DES XV.JAHRHUNDERTS. 
VON OTTOKAR SMITAL. 
r\' b eiste Großbild der Handschrift der V iener Nationalbibliothek, Signatur 2534, mit der Darstellung 
LJ eines Festes, wohl am Hofe des König Dioditias von Syrien, hat seines kulturgeschichtlichen Inhaltes wegen 
wiederholt eine besondere Beachtung gefunden 1 . Die kunstgeschichtliche Festlegung der Maler der einzelnen 
Miniatmen in dei genannten Handschrift hat zuerst Friedrich Winkler in dem grundlegenden Buche »Die 
flämische Buchmalerei des 15. und 16. Jahrhunderts in seiner treffenden Art angebahnt 2 . 
Die Handschrift enthält Jean de Wavrin (Waurin), Anchiennes cronicques d’Engleterre 3 . Es ist ein 
Pergamentkodex von 397 Blättern, Format 37‘5><5 2 cm. Dem heutigen Einband aus dem Anfang des 19. {ahr- 
hunderts ging ein solcher aus schwarzem Samt voraus; Reste davon sind noch auf fol. 397'- zu sehen. Ein 
beigeschlossenes, am Rückendeckel angeklebtes Doppelblatt besagt: »Codex M. S. B. C. C. Vindobonensis; 
il a été remis du thrésor le 25. de septembre 1749.« Es ist eine der Prachthandschriften der Schatz 
kammer, wie jene Codices burgundischer Herkunft, vorher im Nachlaßinventar des Königs Matthias vom 
Jahre 1619 4 , Stücke, die erst auf diesem Umweg im 18. Jahrhundert in die Hofbibliothek gekommen sind. 
Die heutige Handschrift 2534 kommt jedoch in dem genannten Nachlaßinventar nicht vor und dürfte einem 
älteren habsburgischen Besitz an Miniaturhandschriften aus der Bibliothèque des ducs de Bourgogne ent 
stammen 5 . 
Die eiwähnte Eingangsminiatur der Handschrift 2534 (Abb. 2jj) soll den Ausgangspunkt der folgenden 
Untersuchung über ihren Maler bilden. Ihren Inhalt gibt auch G. F. Waagen ausführlich an. In einem großen 
viereckigen Saal mit einem Blick in den Korridor an der linken Ecke der Rückwand sitzt rechts der König 
auf seinem I hron, zu beiden Seiten je zwei Damen, vermutlich die vier Frauen des Königs. Drei Paare der 
Hofgesellschaft treten eben zum Tanze an. Durch die kleine Tür an der linken Seitenwand kommt unter 
\ orantritt des Falkners ein Ritter des Goldenen Vließes. Die Kostüme entsprechen jenen Burgunds um die 
Mitte dei Siebzigerjahre. An dem Bild fällt der bärtige lypus des alten Königs auf, ferner die schlanken 
Gestalten, wie wir sic in Eiedets Miniaturen so häufig treffen, die Haartracht der Hofleute, der harte Falten 
wurf und die etwas einförmige Komposition des Raumes und der Handlung darin. 
Diese Miniatur steht dem Meister nach vereinzelt in der Wiener Handschrift 2534. Offenbar hat der 
Hauptminiaturist einen ihm nahestehenden und guten Ruf genießenden Maler für das Einleitungsbild heran 
gezogen, ein hall, wie wir ihm in der Zeit oft gerade in der flämischen Buchmalerei begegnen. Alle übrigen 
Großbilder 6 der Handschrift gehören eben dem Hauptmaler an, dessen Werkstätte mit der Ausmalung der 
Handschrift betraut worden war, mit Ausnahme der Miniatur auf fol. 132 r ; er hat auch fünf Kleinbilder 
hergestellt 7 , während das Gros der letzteren in einer nicht reinen Grisailletechnik von der Jland jenes 
Buchmalers stammt, der ausnahmsweise das Großbild auf fol. 132 r gemalt hat. 
1 G. F. Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien. Wien 1867, II. Teil, p. 46. — Farbige Reproduktion bei 
R. Haas, Aufführungspraxis der Musik. Im Handbuch der Musikwissenschaft, Potsdam 1930, Athenaion. 
2 1. c., p. 78 und 206. 
3 A. Potthast, Bibliotheca historica medii aevi. Berlin 1896, Bd. 1, p. 645. 
4 Jahrb. d. kh. Sign., Wien 1899, Bd. 20, p. XLIX (Nr. 17.408). 
5 Die Zuwachsfolge ist einigermaßen aus der alten Signatur, in diesem Falle »Codices reccntes« (Zuwachs der Jahre 
etwa 17iS—1800) ersichtlich. Dort steht neben Rec. 1540 (heute 2534) die heutige Handschrift 2535 (Rec. 1541), Alphonso de 
Spina, Fortalitium fidei, welche nach einem Vermerk Kaiser Karl VI. im Jahre 1725 von der Grazer Hofbibliothek nach Wien 
kommen ließ. Es sind demnach Handschriften der ehemaligen Bibliothèque des ducs de Bourgogne schon bei der Erbteilung 
der Söhne Kaiser Maximilians II. auch nach Graz gekommen. 
6 (Fol. 17 r ), fol. 23s 28 r , 471-, 62'-, 79 r, 94 V, 114 r , (132O, i5ö r , 188 r , 2o6r, 215s 2361-, 252s 264 r , 284b 303 r , 316» 
331 r , 356 r - 
7 Fol. 85V, ioi y 276b 292 r , 341V. Die übrigen Kleinbilder verteilen sich auf fol. 37'-, 52'', 53»^ yoq I42 r , I50 r, I 6 S v j 
l 7 2 '\ 183 r , 198 226'’, 245'', 260 r , 309'', 324c, 35o r , 366K 374», 383'’. 
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