Full text: Band 4 (N.F.) (IV=40)

Ludwig Baldass 
in Multschers Wurzacher Tafeln von 1437 gefunden hatte, stand er von Natur aus fern. Ausdruck war ihm 
untrennbar von Schönheit der Linie. Der angestrebte Verzicht auf Innenraum und Landschaft, den er 
mit den Ilauptschöpfungen des sonst viel realistisch derberen und kräftigeren Tucher-Meisters und mit 
den gleichzeitigen Spätwerken 42 des Meisters von Schloß Lichtenstein gemein hat, zeigt uns, wie alle Raum 
andeutungen und landschaftlichen Einzelheiten in den nürnbergischen, salzburgischen und österreichischen 
i afclbildern des weichen Stiles doch nur Rudimente aus der Kunst des Trecento sind, die ganz abgestreift 
werden mußten, ehe der neue Wirklichkeitssinn in der Wiedergabe der Natur, wie er im Westen entstanden 
war, sich in der südostdeutschen Kunst durchsetzen konnte. Der Meister des Grazer Dombildes gelangt zu 
einem Stil, der formal den idealistischen Tendenzen der alten Salzburger Tradition folgt und sowohl der 
niederländischen als auch der italienischen Kunst weitere idealistische Elemente entnimmt, dabei aber inhaltlich 
alles I ranszendentale des weichen Stiles vollkommen abstreift und die heiligen Legenden als ganz irdisches 
(mschehen schildert. Diese neue Auffassung ist vielleicht das wichtigste, was der Meister der niederländischen 
Kunst verdankt. So bildet seine Kunstübung wirklich den Angelpunkt zwischen den beiden Jahrhundert 
hälften, der in der ganzen deutschen Kunst nirgends so klar hervortritt. 
V. DER NAME DES MEISTERS DES GRAZER DOMBILDES: 
». . . d PFENNING« ODER »CONRAD LAIB«? 
Die Frage nach dem Namen jenes bedeutenden, in Salzburg tätigen Meisters, den wir bisher den Meister 
des Grazer Dombildes genannt haben, erscheint letzten Endes eine sekundäre, namentlich so lange, als uns 
die Losung dieser Frage nicht neue Aufschlüsse über Herkunft und Lebensumstände des Meisters verheißt. 
Nun wissen wir überhaupt nichts von einem Maler Pfenning, dessen Vorname auf d geendet hätte, und von 
Conrad Laib wissen wir nur, daß er aus »Eyslingen in der von Oting Land« stammte. Die Ortschaft Ens- 
lingen in der ehemaligen Grafschaft Öttingen gehört heute zum bayrischen Regierungskreis Schwabcn-Neu- 
burg. Sollte also unser Künstler mit diesem Conrad Laib identisch sein, so sagt uns dieser Ortshinweis 
doch nur wenig. Keinerlei schwäbische Züge zeigen sich in seinem Gesamtwerk, ja schon sein frühestes 
Bild knüpft ganz an Salzburger Schöpfungen an. Nur für sein Blut, nicht für die Herleitung seiner Kunst 
würde also dieser Ortshinweis höchstens zeugen. 
Welche von den beiden Inschriften, die auf der Wiener Kreuzigung von 1449 oder die auf dem Grazer 
Dombilde, ist also nun als Signatur die überzeugendere? 
Auf der Pferdedecke des von rückwärts gesehenen Schimmels ganz vorne in der Mitte der Wiener 
Kreuzigung steht in Kapitalschrift: ,...d Pfenning-i449 • als ich chuh-«. Die Stelle ist für eine Signatur über 
raschend, aber nicht ohne Parallele, so liebte es vor allem Burgkmair, sein Monogramm auf Pferdedecken 
anzubringen und wenn wir bei der Zeit des Salzburger Meisters bleiben — so ist kein wesentlicher 
Unterschied zwischen diesem Pferdedeckensaum und der Wandnische, in die Hans Multscher auf seinem 
Pfingstfestbild seine Signatur schrieb. Die Worte »Als ich chun« erinnern auf das lebendigste an den Wahl- 
spruch »als ich can« des Jan van Eyck, den dieser Künstler verschiedenen seiner wortreichen Rahmen 
signaturen vorsetzte oder folgen ließ (Männerporträt in London, Madonna in Melbourne, hier später auf das 
Bild aufgesetzt, Bildnis der Gattin in Brügge, Springbrunnen-Madonna in Antwerpen). Daß es sich dabei 
wirklich um einen Wahlspruch handelt, beweist der Umstand, daß der kurze vlämische Satz immer hinter 
oder vor einem lateinischen lext erscheint. Da aus stilkritischen Gründen eine Reise des Meisters des 
Grazer Dombildes nach den Niederlanden und eine Berührung mit der Kunst des Jan van Eyck überaus 
wahrscheinlich ist, scheint der Kreis geschlossen zu sein. Und doch ist an dieser Pferdedeckeninschrift eines 
auffallend und merkwürdig. Im italienischen Tre- und Quattrocento sind Signaturen keineswegs vereinzelt. 
Soweit ich aber sehe, lesen wir außer dem Namen stets opus oder fecit oder pinxit, also kurz, es ist immer 
ausdrücklich gesagt, daß dieser Name eben den Schöpfer des Werkes bedeutet. Ebenso schreibt Jan van 
Eyck nie den bloßen Namen, sondern stets actum a . . . , fecit, complevit, gheconterfait nu liccft mi etc. 
I ctrus Christus, der zweite altniederländische Künstler, von dem wir noch eine Reihe von Signaturen besitzen, 
schreibt immer me fecit. ln Deutschland schreibt Lucas Moser zu seinem Namen : maler von wil, maister 
42 Vgl. Anm. 40. 
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