Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Die weltliche Schatzkammer in Wien. 
Die Stephansbursa. 
Marc Rosenberg weist in seiner 
inhaltsreichen Untersuchung über dieses 
ehrwürdige Reliquiar 282 nach, daß der 
Abb. 25. Die Rückwand der Stephansbursa. Stil der über Matrizen und Blei in das 
Goldblech geschlagenen Relieftondi an 
den Schmalseiten der Bursa mit dem Stil der Federzeichnungen des Utrechtpsalters aufs engste Zusammen 
hänge. Ich kann mich mit dieser Feststellung um so mehr einverstanden erklären, als ich längst derselben 
Ansicht bin und ihr auch gelegentlich bei Vorträgen, Führungen und in Gesprächen mit Fachgenossen 
Zu Müllners höchst verdienstlichen 
Untersuchungen möchte ich schließlich 
nur bemerken, daß mir seine Theorie, der 
aus der Lanzenklinge herausgestemmte 
Stahl sei zu den beiden Schneiden und 
zu dem unten über die Tülle geschmie 
deten röhrenförmigen Ring verwendet 
worden, vor allem daran zu kranken 
scheint, daß er seine sämtlichen Unter 
suchungen über der goldenen, also über 
allen drei Hülsen, hat vornehmen müssen 
und daß er, gewiß nicht durch seine Schuld, 
den Beweis, daß die beiden Schneiden 
und der Ring wirklich aus demselben 
Stahl bestehen wie die eigentliche Lanze, 
schuldig geblieben ist. Ein solcher Be 
weis müßte natürlich mikroskopisch und 
chemisch zu führen versucht werden. 
Gewiß haftet an der Lanze noch 
immer mehr als ein Rätsel, es fragt sich 
aber, ob dies vom Denkmal selbst aus 
endgültig zu lösen sein wird 281 . 
Ausdruck verliehen habe. Auch damit stimme ich vollständig überein, daß Rosenberg die neue Rückseite 
nicht wie Leitner und nach ihm Schlosser für eine Arbeit vom Ende des 18. Jahrhunderts, sondern für 
eine Arbeit aus der Empirezeit hält. Eine Ähnlichkeit mit den Ornamenten auf der Wiege des Herzogs von 
Reichstadt und auf der Schmuckkasette der Kaiserin Maria Luise vermag ich freilich nicht zu entdecken. 
Auch wurde die neue Rückwand, wie schon oben darzutun versucht ward, wahrscheinlich 1827 hergestellt, 
als sich die Stephansbursa bereits in der Wiener Schatzkammer befand, wo aber damals weder die Wiege 
noch die Schmuckkasette vorhanden war. 
Die noch von dem letzten offiziellen Führer durch die Wiener Schatzkammer als »unstreitig merk 
würdig« und »unschön« bezeichnete Ornamentik auf der Rückseite mag wohl nicht jedermanns Geschmack 
Zusagen, keinesfalls aber ist sie »nichtssagend«, wie sie von Canonicus Bock genannt wird 283 . Denn als ich 
im Mai 1924 284 die silbervergoldete Rückplatte abnehmen ließ, stellte sich, wie die hier beigegebenen Ab 
bildungen {25 und 26) deutlich machen, heraus, daß der brave Empiregoldschmied mit seinen scheinbar sinnlosen 
Ornamenten sorgfältig das wiederzugeben versucht hat, was ihm die ihrer goldenen Verkleidung beraubte Rück 
wand des Holzkernes der Bursa zeigte. An dieser Rückseite finden sich vor allem sechs Vertiefungen, zwei 
381 Vgl. auch noch Anhang III. 
282 Marc Rosenberg, Das Stephansreliquiar im Lichte des Utrechtpsalters. Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen, XLIII. Bd. 
(Berlin 1922), S. 169 ff. 
283 Reichskleinodien, Anhang, S. 53. 
284 Abermals unter gütigem Beistand des Herrn Pfarrers Wegmann.
	        
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