Die weltliche Schatzkammer in Wien.
Schlußfolgerung.
Die schon früher hervorgehobenen Unterschiede zwischen dem Reichskreuz und der eigentlichen Krone
und der eben dargetane Zusammenhang von Kronkreuz und Kronbügel mit dem Reichskreuz in Ver
bindung mit den gleichfalls bereits mitgeteilten Nachrichten, daß Konrad die Krone, mit der er 1027 in
Rom zum Kaiser gekrönt worden war, als fromme Widmung dahingegeben hat, daß sie 1030 gebrochen
worden ist und daß er 1032 eine in ihrer rechtssymbolischen Kraft höchst bedeutungsvolle und daher gewiß
auch ihrem Stoff und ihrer Arbeit nach äußerst hervorragende Krone, nämlich die Burgunds, übersandt
erhalten hat, all dies zusammen erhebt meiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit, daß der Körper der
deutschen Kaiserkrone die burgundische Königskrone sei, nahezu zur Gewißheit.
Die Wiedervereinigung Burgunds mit dem Deutschen Reiche ist die Großtat der Regierung Konrads II.
Auch wenn man mit Hofmeister Hugos von Flavigny um zwei Menschenalter spätere Nachricht, daß
Rudolphus Ignavus Konrad II. »seine Herrschaft mit der Lanze des heiligen Mauritius, dem ,insigne‘ des
burgundischen Reichs, hinterlassen habe«, als unglaubwürdig verwirft und nur die gleichzeitigen Berichte
Hermanns von Reichenau und des Chronicon Suevicum universale, wo lediglich von »diadema«, beziehungs
weise »diadema eius regnique insignia« und nicht ausdrücklich von der Lanze die Rede ist, gelten läßt,
so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die bereits im Besitz des Reiches befindliche, folgt man Hof
meister: 926 von Heinrich I. empfangene heilige Lanze ebenfalls aus Burgund gekommen ist 256 . Damit aber
drängt sich wie von selbst die Annahme auf, daß Konrad II. 1032, als er die burgundische Krone erhalten
hatte, für die gleichfalls aus Burgund stammende heilige Lanze und zugleich auch für die neben dieser ver
ehrungswürdigste Reichsreliquie, die Kreuzpartikel, ein kostbares Behältnis, nämlich das Reichskreuz, und
gleichzeitig damit das kleine Kreuz und den Bügel für die burgundische Königskrone, die nun zur deutschen
Kaiserkrone werden sollte, anfertigen ließ. Diese Umwandlung sollte sich offenbar am deutlichsten in dem
neuen Bügel ausdrücken, der als vermutlicher Ersatz für die ursprünglichen beiden einander kreuzenden Flach
bügel, die vielleicht mit einer Schrift auf Burgund oder den letzten burgundischen Träger der Krone hin
gewiesen hatten, die Krone mit Hilfe seiner Legende dem Deutschen Reiche und dessen damaligem Kaiser
zuzueignen bestimmt war.
Damit aber wären wir auf langen Umwegen wieder dorthin zurückgekehrt, wo Canonicus Bock bereits
1864 gestanden ist. Wir sind der Meinung, daß wir uns nicht im Kreise gedreht haben, und stellen die von
Bock seinerzeit nur nebenher und unsicher vorgebrachte Hypothese von der burgundischen Herkunft der
deutschen Kaiserkrone mit aller gebotenen Vorsicht aufs neue zur Diskussion.
Ob Wolfgang M. Schmid, wenn er sagt, daß für die Herkunft der deutschen Kaiserkrone besondere
Hinweise zu beachten seien, ähnliche Gedankengänge wie die oben dargelegten, im Auge hat, weiß ich nicht,
auch ist mir nicht bekannt geworden, daß er seither, wie er 1914 versprach, die Stellung der Krone aus
führlicher behandelt hätte 257 .
Mutmaßungen über Zeit und Herkunft von Kaiserkrone und Reichskreuz.
Für die Datierung und Lokalisierung der Krone ist durch die Wiederaufnahme der burgundischen
Hypothese freilich nicht allzuviel gewonnen. Vermutlich war sie 993, zu Beginn der langen Regierung
Rudolfs des Trägen, für diesen angefertigt worden. Die dreizehigen Krallen, das hervorstechendste Merkmal
ihrer Goldschmiedearbeit finden sich, wie wir gesehen haben, genau übereinstimmend, vor allem mit den
Endknöpfchcn versehen, eigentlich nur an einem einzigen Stück des Mainzer Goldschmuckes, der für sich
allein aber ebensowenig sicher datiert werden kann wie die deutsche Kaiserkrone. Läßt man aber immerhin
eine gewisse Verwandtschaft zwischen den dreizehigen Krallen der Krone und den dreiteiligen, lilienförmigen
Blättchen des 890 in Auftrag gegebenen Arnulfaltärchens und des 1007 bestellten Giselakreuzes gelten, so
ergäbe sich auf Grund dieser Beziehungen für den zeitlichen Ansatz der Krone ein Spielraum von rund
hundert Jahren. Die Zellenschmelzplatten aber sprechen, natürlich vorausgesetzt, daß sie nicht später eingefügt
wurden, mehr für eine Datierung gegen Ende dieser Zeitspanne. So wird vielleicht doch das Jahr 993 so lange
als Entstehungsdatum der Krone angenommen werden dürfen, als sich keine andere, verläßlichere Zeit-
356 Hofmeister, 1. c., S. 55, und Anmerkung 3.
257 Bassermann-Jordan und Schmid, 1. c., S. 62.
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