Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Die weltliche Schatzkammer in Wien. 
Als Ergebnis dieses Abschnittes wäre zu 
buchen, daß nach der Form der Darstellungen 
auf der Rückseite das Kreuz eher ins II. Jahr 
hundert, nach ihrem Inhalt aber ins 11. oder 
12. Jahrhundert anzusetzen wäre. 
Gravierung und Niello am Reichskreuz 
und am kleinen Kreuz der deutschen 
Kaiserkrone. 
Sieht man sich nach stilistisch verwandten 
niellierten Gravierungen um, so findet sich die 
jenige, welche zweifellos mit der auf der Rückseite 
des Reichskreuzes aufs engste zusammenhängt, 
in dessen allernächster Nähe, nämlich hinten auf 
dem kleinen Kreuz der Kaiserkrone (Abb. ig). 
Man sehe sich bloß das breite, flache Kinn hier 
beim Gekreuzigten, dort bei den Aposteln 
Thomas und Jacobus und beim Engel des 
Matthaeus an. Oder die Nase, wie sie mit einem 
Strich von der Braue den Rücken hinabgeführt 
ist, unten breit wird und in einem Punkt, der vom 
Umriß ihres Rückens ziemlich weit entfernt ist, 
am tiefsten hinabreicht. Oder die Augen, die 
auch an den Aposteln wie beim Christus mit 
drei Querstrichlein und einem Punkt gezeichnet 
sind. Oder den Mund, der immer aus einem 
dreifach gewellten längeren oberen Strich und 
aus einem kleineren Querstrichlein darunter 
gebildet ist, das aussieht wie ein Senkungs 
zeichen beim Skandieren. Oder die langen un 
gegliederten Finger und Zehen. Oder der letz 
teren Abschluß gegen den Rist zu durch eine nach außen gekehrte Bogenlinie. Beim Gekreuzigten ist sie 
einfach, bei den Aposteln einfach oder doppelt. Einfach z. B. beim heiligen Simon und beim heiligen 
Thaddaeus. Oder die beiden flachen Bogen, die nach außen offen sind und deren Scheitel sich berühren. 
Mit ihnen wird hier wie dort die Innenzeichnung der Hände bestritten. Auch die Buchstabenformen 
decken sich auf den Rückseiten des großen und des kleinen Kreuzes vollkommen (das Ä mit den wag 
rechten Querstrichen oben und in der Mitte, das E mit den drei gleich langen Querstrichen, das M, dessen 
Spitze nur bis zur Hälfte der beiden senkrechten Schäfte reicht, das R, dessen Füßchen rechts nicht vom 
senkrechten Stamm, sondern unten vom Bäuchlein eines P abzweigt, die Ligatur ^S). Hier wie dort ist 
mit dem sogenannten Tremolierstich gearbeitet. Der Crucifixus auf dem kleinen Kreuz der Krone ist 
nur als die offenbar weniger wichtige Arbeit etwas flüchtiger oder sagen wir: nachlässiger durchgeführt. 
Alles in allem erachte ich aber die Übereinstimmung für so groß, daß ich mich zu behaupten erkühne, 
der Crucifixus auf dem kleinen Kreuz der Krone und die Darstellungen auf der Rückseite des Reichskreuzes 
sind nicht nur von derselben Werkstatt, sondern sogar von derselben Hand geschaffen worden. 
Der Crucifixus hinten auf dem kleinen Kreuz der Krone hat bereits Murr verlockt, ihn als Behelf für 
die Datierung zu verwenden 214 . Rosenberg hat in allerjüngster Zeit dasselbe getan 215 . Ich glaube aber, daß 
man hier sehr vorsichtig sein muß, weil sich dieser Typus sehr lange unverändert erhält, wohl vom io. über 
das II. bis ins 12. Jahrhundert hinein, so daß man ihn wohl im großen ganzen als den Typus des II. Jahr 
hunderts ansprechen kann, auf Grund von ihm allein aber nur mit geringer Sicherheit genauer zu datieren 
vermag. 
214 S. oben S. 19. — 2,5 S. oben S. 22. 
Abb. 19. Gravierung an der Rückseite des angesteckten Kreuzes 
der Kaiserkrone. 
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