Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Die weltliche Schatzkammer in Wien. 
Das Reichskreuz (Âbb. io) steht sowohl 
seiner Gestalt als auch seiner Verzierung nach 
unter den erhaltenen Denkmälern keineswegs 
vereinzelt da. Es gibt vielmehr etwa zwei 
Dutzend Kreuze, die damit mehr oder weni 
ger verwandt sind. 
Es ist kein Vortragekreuz, sondern ein 
Standkreuz. Der Kern ist Eichenholz, das 
im Querbalken zur Aufnahme der heiligen 
Lanze und im unteren Teile des senkrech 
ten Stammes zur Aufnahme des Stückes 
vom Kreuze Christi derart ausgehöhlt ist, 
daß beide Gegenstände genau hineinpassen 
(.Abb. ii). Namentlich die Gestalt der Ver 
tiefung für die heilige Lanze ist derart, 
daß man daraus ersieht, die Lanze müsse 
bereits damals, als das Kreuz bestellt wurde, 
ebenso geformt gewesen sein wie heute. Die 
auf die Form der hineinzulegenden Dinge 
keinerlei Rücksicht nehmenden quadrati 
schen Aushöhlungen in den erbreiterten En 
den oben und rechts dienten wahrschein 
lich zur Aufnahme von Urkunden, die sich 
auf Kreuzpartikel und Lanze bezogen. Im 
Kreuz kann wohl einmal der Zahn Johannis 
des Täufers, niemals aber neben Lanze und 
Kreuzpartikel das Armbein der heiligen Anna 
* ii ,, ... , .. , verwahrt gewesen sein. Es hätte darin ein- 
fach keinen Platz gehabt 153 . Das Holz ist 
innen mit einem angeklebten dünnen, mattroten Stoff überzogen, der heute noch gut erhalten ist. Vom 
Querbalken ist die ganze vordere fläche abzuheben. Gehalten wird sie durch vier Kloben, die durch das 
Holz des Körpers und das Blech der Rückseite hindurchgreifen und an dieser mit vier durch die Löcher 
der Kloben zu steckenden silbernen Splinten zu befestigen sind. Ähnlich ist der Deckel des oberen Qua 
drates festgemacht. Dagegen ist der Deckel über der Vertiefung, in die die Kreuzpartikel hineingelegt werden 
kann, links durch ein Scharnier mit dem Seitenblech des unteren Teiles des Kreuzstammes verbunden und 
wird hinten abermals mit einem silbernen Splinte, der durch die Öffnung des federnden Klobens gesteckt 
werden muß, befestigt. Dieser Splint war in Murrs Zeiten durch einen Stift vertreten, der an einem gol 
denen Kettlein hing 154 . Dieses wieder war an der hinten auf dem Quadrat der Vierung neben dem S des 
Wortes AGNVS sichtbaren Öse angemacht. Das war aber gewiß nicht die ursprüngliche Art des Verschlusses, 
sondern der Deckel über der Kreuzpartikel war seinerzeit mit zwei Kloben und den dazugehörigen Splinten 
ganz genau ebenso befestigt, wie die beiden anderen Deckel auch, was durch das Loch, das hinten rechts 
vom heiligen Simon zu sehen ist, bewiesen wird. Die Umgestaltung des abhebbaren Deckels in ein Türchen 
wurde zweifellos später einmal vorgenommen. 
Das Kreuz ist ein sogenanntes Krückenkreuz oder Tatzenkreuz (croix potencée). Es ist vorne reich 
mit Edelsteinen, Perlen und Filigran geschmückt. Längs seinen Seitenflächen läuft eine nicllierte Inschrift, 
die Rückseite zeigt, gleichfalls in Niello, in der Vierung das Lamm Gottes, in den Endquadraten die vier 
Evangelistensymbole und dazwischen, sitzend, elf Apostel. 
153 Vgl. dagegen Hofmeister, 1. c., S. 45 und Anmerkung 2. 
154 Beschreibung der sämtlichen Reichskleinodien. Nürnberg 1790, S. 77.
	        
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