Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Die weltliche Schatzkammer in Wien. 
Der Inhalt der Schriften auf den Zellenschmelzplatten der Krone. 
Die merkwürdigste Darstellung auf den Goldemailplatten der Krone ist die bereits oben ausführlich 
gewürdigte, die überschrieben ist: ISAIAS PROPHETA und EZECHIAS REX und auf der der Prophet ein 
Spruchband in Händen hält, dessen Inschrift lautet: ECCE ADICIAM SUPER DIES TVOS XV ANNOS. Sie 
geht auf Kapitel XXXVIII des Propheten Isaias zurück: König Ezechias ist todkrank, Isaias verkündigt ihm seinen 
Tod. Da betet der König unter Tränen zu Gott. Darauf ergeht an den Propheten das Wort des Herrn, er solle zu 
Ezechias im Namen des Gottes Davids sprechen: »Ich habe dein Gebet gehört, und deine Tränen gesehen; siehe, 
ich will fünfzehn Jahre noch zu deinen Tagen tun, und dich aus der Hand des Königs der Assyrier retten 
samt dieser Stadt, und will sie beschirmen.« 
Diese Darstellung wurde von Bock als Stütze für seine Hypothese zu verwenden gesucht, daß die 
Krone in ihrer ursprünglichen Form die 1032 von dem kränklichen Burgunderkönig Rudolf dem Nichts 
würdigen (Ignavus) an Kaiser Konrad II. übersandte sei, und Schlosser meint 112 angesichts des Schmelzbildes 
mit Isaias und Ezechias: »Das geistliche Element könnte nicht stärker betont werden, als es mit der Auswahl 
gerade dieser Darstellung geschah.« Dieser Satz könnte beinahe so aufgefaßt werden, als käme in einer 
Darstellung, wie der besprochenen, der Sieg der römischen Kirche über das deutsche Kaisertum zum Ausdruck, 
was aber in einem gewissen Widerspruch damit stünde, daß sich Schlosser, wie wir gesehen haben, vor 
die Wahl zwischen Konrad II. und Konrad III. gestellt, für den ersteren entschieden hat, der sich, wenn 
auch persönlich fromm, die Kirche keineswegs hatte über den Kopf wachsen lassen und der zu einer Zeit 
lebte, da es weder einen Investiturstreit noch Kreuzzüge gab. 
Es sind aber alle bildlichen Darstellungen auf der Krone, soweit ihr Inhalt durch die Beischriften 
ausgedrückt wird, in den bei der deutschen Königskrönung und der römischen Kaiserkrönung vom 10. bis 
zum 12. Jahrhundert und noch früher verwendeten Formeln nachzuweisen, und gerade Ezechias auf dem 
Krankenbett kommt in einem Gebet oder einer Segnung für den König vor, »wie sie wohl bei festlichen 
Gelegenheiten, namentlich bei Anwesenheit des Königs in einem Stift, auf einer Synode oder sonst, gesprochen 
wurden, und dann auch bei den Krönungen benutzt sind«, und diese benedictio super principem findet sich 
bereits in einer Münchener Handschrift (Cod. Lat. Nr. 14510 [S. Emmer. 5 IO D des 9. Jahrhunderts 113 . Die 
betreffende Stelle lautet dort: »Sit nobis fiducia obtinere (gratiam) pro populo, quam Aâron in tabernaculo, 
Heliseus in fluvio, Echethias in lectulo, Zacharias vetulus impetravit in filio« 114 . Ein richtigerer Text 
findet sich in der Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum occidentales 115 . Sätze verwandten Inhaltes 
wie das Spruchband, das auf der Krone der Prophet Isaias in Händen hält und dessen Sinn im wesentlichen 
ja doch der ist, daß Gott dem demütigen König Gesundheit und ein langes Leben schenkt, finden sich in 
den Krönungsformeln noch folgende: »Presta ei prolixitatem vitae per tempora, . . .« (so im Ordo ad regem 
benedicendum 116 ) und ebenso in der allgemeinen (römischen) Formel der Königskrönung 117 und in der 
Formel der Königskrönung aus der Kölner Handschrift Nr. 141, die aus der Rheimser Erzdiözese stammt 
und dem Ende des 10. Jahrhunderts angehört 118 . Oder: ». . . et vitam tuam longitudine dierum adimpleat. . .« 
(so in der Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum occidentales 119 ). Oder: ». . ., fac annis esse 
multiplicem, salubri corporis robore vigentem, ad senectutem optatam pervenire felicem.« (So vor dem Satz, 
der den Ezechias nennt, in der Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum occidentales 120 und fast 
gleichlautend in der spätestens aus dem 9. Jahrhundert stammenden Benedictio super principem 121 .) Oder: 
». . ., teque auxiliante, praesentis vitae prolixitatem percipiat et per tempora bona usque ad summam senectutem 
perveniat,...« (so in der schon zitierten Formel der Kölner Handschrift des späten IO. Jahrhunderts aus Rheims 122 ). 
Der Sinn der den Sprüchen Salomonis (VIII, 15) entnommenen Aufschrift der Platte mit der maiestas 
1.2 1. c., S. 49. 
1.3 G. Waitz, Die Formeln der Deutschen Königs- und der Römischen Kaiserkrönung vom zehnten bis zum zwölften 
Tahrhundert. In den Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. XVIII. Bd. (1873). Historisch 
philologische Klasse. S. 1 ff., S. 69 ff. 
114 Waitz, 1. c., S. 91. 
1,5 Waitz, 1. c., S. 67: »Sit nobis fiducia obtinere gratiam pro populo, quam Aaron in tabernaculo, Elyseus in fluvio, 
Ezechias in lecto, Zacharias vetulus impetravit in templo.« 
116 Waitz, 1. c., S. 35. — 117 Waitz, 1. c., S. 71. — 118 Waitz, 1. c., S. 85. — 119 Waitz, 1. c., S. 65. 
120 Waitz, 1. c., S. 65. — 121 Waitz, 1. c., S. 91. — 122 Waitz, 1. c., S. 79. 
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