Die weltliche Schatzkammer in Wien.
befaßt haben, Murr noch mitgerechnet, über Kaiserkrone und Reichskreuz zu sagen wissen. Die ältere
Literatur findet sich in Murrs »Journal zur Kunstgeschichte und zur allgemeinen Litteratur« 10 gewissenhaft
verzeichnet.
Neuere Literatur über die Krone.
Murr selbst 11 sagt von dem Kreuz auf der Krone, daß es »von dieser ganz unterschieden« sei und
daß an dem niellierten Crucifixus, auf dessen Rückseite »das suppedaneum oder Fußbrett, die offenen Augen,
das Gesicht ohne Bart, der Schein mit dareingelegtem Kreuze, die Schürze nebst den beiden besonders
angenagelten Füßen« zu erkennen gäben, »daß es vor dem XII ten Jahrhunderte verfertiget worden«. Vom
Bogen heißt es S. 78, daß er am wahrscheinlichsten von Konrad III. herrühre.
Römer-Büchner 12 schreibt S. 48: »Da Konrad L, III. und IV. die Kaiserwürde nicht innehatten, so
kann die Inschrift (auf dem Bügel) nur Konrad II., f 1039, bezeichnen; allein sein Name kommt in keiner
Urkunde, Siegelumschrift u. s. w. mit dem Buchstaben O vor, wodurch das hohe Alter und die Gleich
zeitigkeit der Inschrift mit der Krone verdächtig wird. Da das Kreuz und der Bügel spätere Zugaben zur
Krone sind, so kann diese Inschrift auch in späteren Zeiten gefertigt worden sein, um das hohe Alter der
Krone darzuthun.«
Labarte 13 hält die Krone selbst für eine deutsche oder italienische Arbeit vom Ende des IO. oder
Beginn des 11. Jahrhunderts. Der Bügel sei später hinzugefügt worden, entweder bei der Krönung Konrads II.
(1027) oder vielleicht gar erst bei der Konrads IV. (1254). Die Emails seien trotz den lateinischen Inschriften
byzantinische Arbeit.
Bock 14 glaubt (S. 12), daß die Krone wie etwa auch der Reichsmantel »gegen Ausgang des II. oder
sogar im Beginne des 12. Jahrhunderts« von sarazenisch-sizilianischen Arbeitern in Palermo für einen Nach
folger Robert Guiscards angefertigt worden sei. Filigran- und Schmelzarbeit an der Krone stimmten mit
dem Einband des Codex aureus purpureus, einem Geschenk Ottos II. und der Theophania an die Abtei
Echternach, heute in der herzoglichen Bibliothek zu Gotha, mit dem Einband des Bamberger Evangelistars,
heute in der Münchener Zimelien-Bibliothek, und mit den drei goldenen Kreuzen aus der Ottonenzeit in
Essen überein. Auf S. 142 lehnt er die Meinung ab, daß die Krone die Konrads II. sei, weil dieser die bei
der Krönung in Rom gebrauchten »kaiserlichen Zieraten« der Abtei Cluny gewidmet habe, — ein Umstand,
von dem hier noch zu sprechen sein wird. Vielleicht ist die Ixrone die^lvalser Konrad II. von dem König
Rudolphus Ignavus zugesandte Krone von Burgund und Arelat. Die Krankheit des Burgunderkönigs wird
mit der Darstellung auf der Krone, wo der Prophet Isaias dem kranken König Ezechias Verlängerung seines
Lebens um fünfzehn Jahre weissagt, in Zusammenhang gebracht. (Auch darüber wird noch zu handeln sein.)
In diesem Falle könnte die Krone aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts stammen, aber immerhin eine
nach Burgund gebrachte sizilianische Arbeit sein. »Der offenbar erst spät hinzugefügte Kronbogen« gehe
wie das Kreuz nach der Meinung »mehrerer Schriftsteller« auf Konrad III. zurück (S. 141). Das am Bügel
vorkommende Lilienornament sei von der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts an aufWerken der Goldschmiede
kunst häufiger anzutreffen. Wenn aber der Bügel von Konrad III. herrühre, so sei der Kaisertitel darauf »anti-
cipando« angenommen. Konrad führe allerdings in mehreren Urkunden den Titel »Imperator Augustus« (S. 143).
Im offiziellen Führer durch die Wiener Schatzkammer vom Jahre 1869 heißt es nur, daß
auf der angeblichen Krone Karls des Großen der spätere Bügel wahrscheinlich durch Konrad II. hinzugefügt
worden sei. Dasselbe steht im Führer von 1870.
Ouirin v. Leitner schreibt in seinem großen Werk über die Wiener Schatzkammer 15 den Bügel,
den er für jünger als die Krone hält, ohne Angabe von Gründen vermutungsweise Konrad III. zu.
Der Schatzkammerführer vom selben Jahr 1872 bringt dasselbe, und diese Ansicht, daß nämlich
der Bügel jünger als die Krone und der auf ihm und auf dem Reichskreuz genannte Chuonradus Konrad III.
sei, ist bis zum Jahre 1918 von den offiziellen Führern durch die Wiener Schatzkammer vertreten worden.
10 XIV. Teil, Nürnberg 1787, S. 139 ff.: Verzeichniß der Schriftsteller von den Reichsinsignien und Reliquien überhaupt.
11 Beschreibung der sämtlichen Reichskleinodien und Heiligthümer, welche in der des H. R. Reichs freyen Stadt Nürn
berg auf bewahret werden. Nürnberg 1790, S. 13—15-
12 Die Wahl und Krönung der deutschen Kaiser zu Frankfurt am Main. Frankfurt a. M. 1858.
13 Jules Labarte, Histoire des arts industriels. Tome second, Paris 1864, S. 154 f.
14 Franz Bock, Die Kleinodien des heil, römischen Reiches deutscher Nation. Wien 1864.
15 Die hervorragendsten Kunstwerke der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses. Wien 1870—1873, S. 22.
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