Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Porträtkopf der heiligen Helena. 
ist erst eine Erfindung aus der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Die Verbindung aller drei Elemente zu einer 
Einheit wird erst am Anfänge des 4. Jahrhunderts n. Chr. erfolgt sein 23 , zu einer Zeit, in der unter allen Frauen 
wohl Helena (geb. 257, f 328 oder 336), die Mutter Constantins des Großen, am meisten in der Geschichte 
hervortritt 24 . Obwohl sich zahlreiche Münzen mit ihrem Bilde erhalten haben 25 , die, so verschieden sie an sich 
sind, doch stets mit der Haartracht des Wiener Kopfes in einzelnen Teilen übereinstimmen, läßt sich doch aus 
ihnen kein klares Bild ihrer Persönlichkeit gewinnen. Darum konnte auch keine Porträtskulptur bisher mit Sicher 
heit als Helena bezeichnet werden 26 . Erschwert wird diese Bestimmung besonders dadurch, daß noch keine klare 
Scheidung der Münzbilder zwischen ihr und den zwei anderen Helenen (ihrer Schwiegertochter, der Gemahlin 
des Crispus, f 326, und ihrer Enkelin, der Gemahlin des Julianus, f 360) gelingen wollte 27 . Unter den auf die 
mit Sicherheit bezogenen Münzbildern ist das Bronzemedaillon im British Museum (Cohen 7) 28 das beste. 
Dieses Bild zeigt, was Haartracht und Porträtzüge betrifft, in der Tat eine entschiedene Übereinstimmung 
und Ähnlichkeit mit unserem Kopfe. Die Stirnlocken und die Kranzflechte sind dieselben, das Haarnest am Hinter 
kopfe, das man auf der Münze nicht deutlich erkennen kann, ist vorhanden, und zwar scheint es sehr flach und 
durch Haarnadeln, deren Knöpfe noch deutlich zu sehen sind, befestigt zu sein. Das auf dem Münzbilde über 
der Kranzflechte erscheinende — bei uns fehlende — Diadem kommt Helena als »Augusta« zu, welcher Ehrung 
sie erst 325 teilhaftig wurde 29 . In die Öffentlichkeit treten konnte sie erst nach dem Tode ihres Gemahles Con- 
stantius Chlorus (306), der sie der Theodora wegen verstoßen hatte. Ihr Sohn Constantin hielt sie in großen 
Ehren 30 . Es ist bekannt, daß ihr viele Porträtstatuen in Konstantinopel, einige auch in Rom, errichtet worden 
waren 31 . Wahrscheinlich werden auch die Provinzstädte nicht ermangelt haben, hierin der Hauptstadt nachzufolgen. 
Von einer solchen Statue, deren Aufstellung zwischen den Jahren 306 und 325, eher noch zwischen 
312 — in welchem Jahre Helena das Christentum angenommen hatte — und 325, erfolgt wäre, die Kaiserin 
also im Alter von 49 beziehungsweise 55 bis 68 Jahren als »nobilissima femina« noch nicht als »Augusta« 
dargestellt hätte, könnte der Wiener Kopf wohl herrühren. Der Stil des Werkes, die unleugbare Porträt 
ähnlichkeit mit dem besten Münzbilde, das vorauszusetzende Alter der Dargestellten und die Details der 
Haartracht, dies alles spricht für diese Annahme. Die hoheitsvolle, ehrfurchtgebietende, von der Strenge und 
dem Ernste des christlichen Geistes erfüllte Physiognomie läßt sich mit der literarisch überlieferten Charakter 
schilderung Helenas gut vereinbaren. 
Helena, die Repräsentantin ihres Zeitalters, das in der kürzesten Zeit die tiefgreifendste Veränderung 
in der Kultur der Menschheit erlebt hat, ist die erste Frau, die an der hervorragendsten Stelle sich in weiser 
Voraussicht für die christliche Religion entscheidet und, in ihrem Sinne wirkend, die ihr zu Gebote stehende 
Machtfülle energisch einsetzt 32 . Bei der Betrachtung des schlichten, anspruchslosen Werkes eines Bildhauers, 
der wohl in einer Landstadt arbeitete und dessen künstlerische Ausdrucksmittel nicht über das Durchschnittsmaß 
seiner Zeit hinausreichten, empfangen wir doch eine Spur der Emanation der neuen Weltanschauung. 
23 Vgl. Steininger a. a. O. Sp. 2145, Absatz 2. — Über den hier angezogenen Kopf in Kopenhagen (552) vgl. oben, 
Anm. 2. — Der von Steininger zitierte Berliner Kopf (fälschlich 175) kann nur Nr. 449 sein; vgl. oben, Anm. 4; Delbrueck 
in: Römische Mitteilungen 1913, S. 328. 
24 Über das Todesjahr Helenas vgl. Kubitschek, Gedächtnismünzen der Kaiserinnen Helena und Theodora in: Wiener 
Numismatische Zeitschrift 1915, S. 180 f. (gegen Seeck). 
25 Vgl. Cohen a. a. O. VII, 2. édit., p. 95 ff.; Gnecchi a. a. O.; Bernoulli a. a. O. II/3, S. 201 ff.; Maurice, Numism. Constant. I, 
p. 89 ff. und passim; Seeck in Pauly-Wissowa a. a. O. VII, Sp. 2820 ff. 
26 Vgl. Bernoulli a. a. O. II/3, S. 201 ff. Die Benennung des Kopfes in Kopenhagen, Nr. 773 (heilige Helena) ist nicht 
zwingend, da gerade die besten Helenamünzen sich von ihm durch die undulierten Stirnwellen unterscheiden. Die Identifikation 
des Kopfes im Museo Capitolino (Salone 57: Stuart-Jones, Catalogue, p. 304, pl. 75) durch Maurice (Numism. Chronicle 1914 
p. 317 ff-, Fig. i und 2) ist durchaus unwahrscheinlich und beruht wohl auf einem Mißverständnis der Stelle bei Delbrueck 
in: Römische Mitteilungen 1913, S. 328 t. 
27 Vgl. Cohen a. a. O. VII, 2. édit., p. 95 fr.; Maurice, Numism. Constant. I, p. 91; II, p. 453 fr.; Webb, Helena N. F. in: 
Numism. Chronicle 1912, p. 352 ff; Maurice in: Numism. Chronicle 1914, p. 314 ff. — Für Helena, Gemahlin des Crispus, haben 
sich Webb und Maurice a. a. O. Klarheit zu schaffen bemüht, für Helena, die Gemahlin des Julianus, ist meines Wissens noch 
nicht einmal der Versuch hiezu gemacht worden. 
28 Häufig abgebildet, a u. Bernoulli a. a. O. II/3, Münztafel VIII, 1; Delbrueck in: Römische Mitteilungen 1913, S. 329, Abb. 7 d. 
29 Vgl. Seeck in Pauly-Wissowa a. a. O. VII, Sp. 2821. 
30 Vgl. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I, S. 46 t. 
31 Vgl. Bernoulli a. a. O. II/3, S. 201 ff. — Auf die große Übereinstimmung unseres Kopfes mit der Büste Helenas an ihrem 
Sarkophage im Vatikan (abg. Bernoulli a. a. 0.11/3, Taf. XL1X) ist kein großer Wert zu legen, da dieses Denkmal zum mindesten 
stark überarbeitet zu sein scheint (vgl. Helbig-Reisch a. a. O. I, 3. Aufl., S. 206, und II, 3. Auf!., S. 472). 
32 Vgl. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I, S. 47.
	        
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