Die weltliche Schatzkammer in Wien.
ANHANG.
I.
Ende März 1856 hatte der Canonicus des Aachener Kollegiatstiftes Dr. A. Gan an die Wiener Regierung das Er
suchen gerichtet, die einst im Kirchenschatz seines Stiftes verwahrt gewesenen drei Reichskleinodien, die sich seit 1801
in Wien befanden, seinem Stifte wieder zurückzustellen. Auf Aufforderung des Ministeriums des Äußern hin erstattete
Regierungsrat Chmel zur Klarstellung des Status causae folgendes Promemoria, das auch von einem Gutachten über die
Rechtsfrage begleitet war.
Promemoria über die gegenwärtig in der k. k. Schatzkammer zu Wien aufbewahrten Insignien, Klein
odien und Heiligthümer des heiligen römisch-deutschen Kaiser-Reiches, welche früher theils
zu Nürnberg theils zu Aachen verwahrt wurden.
I. Factisches.
Bekanntlich war Aachen, wie früher nach Gewohnheit, seit der goldenen Bulle Kaiser Karl des Vierten (Anno 1356.)
nach Gesetz die Krönungs-Stadt der römisch-deutschen Könige und (seit Ferdinand I.) Kaiser.
Der bei weitem größte Theil der zur Krönung eines römisch-deutschen Reichs-Oberhauptes erforderlichen Insignien
und Kleinodien aber war nicht in Aachen aufbewahrt, sondern ward im Laufe der Zeiten in den verschiedensten Orten
verwahrt, bis endlich im Jahre 1424 K. Siegmund die Reichsstadt Nürnberg zur beständigen Bewahrerin der Reichs-Insignien
und Reichskleinodien erklärte und den Deputirten der Stadt am 9 Februar zu Ofen, wohin sie zuletzt vom Karlstein in Böhmen
waren gebracht worden, feierlich übergab. Die Päpste Martin V., Nicolaus V. und Pius II. bestätigten diese Anordnung mit der
Klausel, dass diese Aufbewahrung zu Nürnberg so lange dauern sollte, als diese Stadt im wahren Glauben beharren würde;
welche Klausel der Stadt Aachen Veranlassung gab, im siebzehnten Jahrhunderte der meist zum Protestantismus über
getretenen Reichsstadt Nürnberg das Recht der Aufbewahrung streitig zu machen, was ihr jedoch nicht gelang. —
Von 1424 also wurden die Reichsinsignien stets in Nürnberg aufbewahrt und von dort zu den Krönungs-Acten in
feierlichem Aufzuge nach Aachen gebracht.
In Aachen selbst aber waren einige Stücke, welche zu den Krönungen ebenfalls verwendet wurden.
Viel wurde über diese Reichsinsignien und Kleinodien geschrieben und gedruckt, obgleich nicht alles klar gemacht.
Der berühmte vielfach verdiente nürnbergische Gelehrte Christoph Gottlieb von Murr hatte eine ganze Bibliothek
darüber gesammelt, auch mehreres darüber publicirt.
Im Jahre 1790, also wenige Jahre vor der letzten Zeit des r. d. Reiches, erschien von ihm eine »Beschreibung der sämt
lichen Reichskleinodien und Heiligthümer, welche in der des H. R. Reiches freyen Stadt Nürnberg aufbewahrt
werden«. Er führt in einem Anhänge auch die »kaiserlichen Zierden« auf, welche »zu Aachen« liegen. Zu Nürnberg wurden
auf bewahrt:
I. Die eigentlichen Reichsinsignien oder Reichskleinodien.
1. Die Reichskrone.
2. Der Reichsscepter.
3. Der Reichsapfel.
4. Das Schwert Kaiser Karl des Großen.
5. Das Schwert des heiligen Mauritius.
6. Die zwei Dalmatiken.
7. Sanct Karl’s rothe Gugel (wird nicht gebraucht).
8. Die Alba.
9. Die zwei Stolen.
10. Das Pluviale oder der kaiserliche Chormantel.
11. Die Handschuhe.
12. Die Strümpfe.
13. Die Schuhe.
14. Die drei Gürtel.
(Die nun folgenden Stücke wurden später bei den Krönungen gar nicht mehr verwendet.)
15. Die zwei goldenen Sporen.
16. Die zwei Achselspangen.
17. Das Sudarium oder Schweistuch.
II. Die ebenfalls zu Nürnberg aufbewahrten Reichsheiligthümer aber waren folgende:
1. Der heilige Speer mit dem Nagel.
2. Ein Stück des heiligen Kreuzes.
3. Ein Stück von dem Schurztuche, welches Christus angehabt haben soll, als er seinen Jüngern vor dem Abend-
mahlc die Füße gewaschen.
11 Jahrbuch N. F. I.
81