Die weltliche Schatzkammer in Wien.
Sie sind mit Flügeln und Pranken versehen und ihre Schwänze gehen in Schlangenköpfe aus. Bock hält
diesen Stoff für eine sarazenische Arbeit, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Palermo angefertigt wurde.
So liefert auch ein Vergleich mit den von Kumsch und Errera zusammengestellten Stoffen nichts, was
sich der Annahme, daß die drei goldenen Futterstoffe die ursprünglich 1133 oder kurz vorher in Palermo
für den Königsmantel Rogers II. hergestellten sind, entgegensetzte. Im Gegenteil: zufällig ist gerade der
Zusammenhang unserer Stoffe mit dem ziemlich sicher datier- und lokalisierbaren Drachenstoff aus dem
Grabe des 1101 verstorbenen Königs Roger I. in Palermo am allerengsten. Ein Werk wie der gesamte
Mantel setzt eine große Werkstatt mit vielen geschulten Arbeitern voraus. Als Ort der Herstellung ist die
königliche Werkstatt in der Hauptstadt Siziliens ausdrücklich genannt, und zwar in der arabischen Inschrift
des Mantels, woraus wieder unzweifelhaft hervorgeht, daß sarazenische Hände am Werke waren. Falke
meint, wohl sei die Stickerei sarazenisch, nicht aber das Seidengewebe, des Mantels purpurner Grundstoff,
der ganz gut aus Byzanz könne bezogen worden sein. Gewiß ist das möglich, aber es können, wenn man
mit Falke den Purpurstoff für eine byzantinische Arbeit hält, ebenso gut bereits zwischen 1130, dem Jahr,
in dem Roger II. König wurde, und dem Jahr 1133, in dem der Mantel angefertigt oder vollendet wurde,
auch Griechen in der königlichen Werkstatt zu Palermo tätig gewesen und den purpurnen Seidenstoff des
Mantels gewebt haben. Otto von Freisings Nachricht, daß 1146 die Normannen bei ihrem Einfall in Griechen
land, um dem byzantinischen Kaiser einen Tort anzutun, geschickte Seidenweber aus Athen, Korinth und
Theben entführten und in Palermo ansiedelten, entspricht gewiß den Tatsachen, schließt aber keineswegs
aus, daß nicht schon vorher in Palermo von Sarazenen und vielleicht sogar auch von Griechen Seidenweberei
betrieben wurde. Die goldenen Futterstoffe des Mantels sind jedenfalls, mag auch ihre Technik verhältnis
mäßig einfach sein, ein Beweis dafür, daß es in Palermo auch schon vor 1146 Seidenwirkerei gab. Doch
sind gerade unsere Stoffe, wie aus ihrem Mischstil unzweifelhaft hervorgeht, sicherlich von Sarazenen her
gestellt worden.
Die Brustschilde des Kaisermantels.
Diese beiden schönen Stücke wurden bisher auf photographischem Wege noch nicht groß wieder
gegeben. Bock hat eines davon zuerst für seine »Geschichte der liturgischen Gewänder« 353 mit der Feder
auf den Stein zeichnen und dann für seine »Reichskleinodien« 354 farbig lithographieren lassen. Beide Abbildungen
sind schematisch und daher ungenügend. Hier {Taf XVI) ist das über der rechten Schulter sitzende Stück
originalgroß in Lichtdruck wiedergegeben. Es besteht aus einem Goldblech in Vierpaßform, in das eine
emaillierte Goldscheibe eingefügt ist. Der Vierpaß, der das berühmte arabische rote Gold zeigt, von dem auch
Theophilus spricht 355 , ist außen und innen von einer sehr feinen Goldschnur eingefaßt. Sein Grund ist bis auf die
für Edelsteine ausgesparten Stellen mit sogenanntem Würmchenfiligran überzogen. Die gemugelten Steine, in
jeder Lunula fünf, ein großer, zwei mittlere und zwei kleine, werden durch Geländer, gebildet aus fortlaufenden
Schlingen aus einfachem Golddraht, festgehalten. Außerdem gibt es in jeder Lunula zwei und an jeder Einschnürung
des Vierpasses je eines, also im ganzen zwölf goldene Schüsselchen, die mit winzigen Spitzovalen aus gedrehtem
Draht blütenblättchenförmig ausgelegt sind, so daß sie als konkave Rosetten bezeichnet werden könnten.
Das Würmchenfiligran findet sich am Mantel auch noch an der Schließe 356 , sonst aber beispielsweise
auch am kaiserlichen Zeremonienschwert, wo es übrigens von ganz ähnlichen Rosetten unterbrochen wird
wie auf den beiden Brustschilden 357 , an der Krone der 1122 jung verstorbenen Gemahlin Kaiser Friedrichs II.,
Konstanzeil., in Palermo 358 und am Deckel des Evangeliars des 1182 verschiedenen Erzbischofs Alfons im
Domschatz von Capua 359 . An diesem Einband zeigen auch die Steine eine ähnliche Fassung aus Golddraht,
der hier aber nicht in einfache, sondern in kleeblattförmige Schlingen gelegt ist.
Die Scheibe in der Mitte des Brustschildes, die mit Schmelzwerk verziert ist, besteht aus anderem, viel
lichterem Golde als der Vierpaß. Gewiß eine mit diesem gleichzeitige Arbeit, wurde sie jedoch, wie dies ja
353 Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder. II. Bd. (Bonn 1866), S. 307 f. und Taf. XLVI1I, Fig. 1.
354 Bock, Reichskleinodien. Taf. XXV, Fig. 37.
355 1. c., lib. III., cap. XLVII.
356 Bock, Reichskleiijodien. S. 144, Fig. b.
Über das Würmchenfiligran vgl. auch Neumann, 1. c., S. 79, der aber offenbar den Begriff weiter nimmt, als es hier geschieht.
357 Bock, 1. c., Taf. XXIV und S. 137, Fig. a, und S. 139, Fig.b, und Schlosser, 1. c., Taf. XXVII und XXVIII.
358 Bock, 1. c., S. 205 ff., Taf. XLIV, Fig. 67.
359 Bertaux, 1. c., Taf. VII.
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