Full text: Band 1 (N.F.) (I=37)

Die weltliche Schatzkammer in Wien. 
stilisierten Lilien«, und zwar oben zwischen den beiden inneren Lilien, zweimal jene einem unzialen € ähnliche 
Zierform, die auch auf unserem Drachenstoff vorkommt. Das Wiener Stück des Stoffes wird gleichfalls im 
Österreichischen Museum (Inv.-Nr. 742) verwahrt und mißt ca. 26:9-5 cm. Das Muster des Düsseldorfer 
Stoffes (Kumsch g) scheint mit unseren Futterstoffen kaum etwas Gemeinsames zu haben. Dagegen zeigt 
der Dresdener Stoff, wie schon erwähnt, eine ganz ähnliche von Kumsch für eine Traube gehaltene spitz 
ovale Zierform wie unser Drachenstoff. 
Im selben Jahr, 1903, in dem Kumsch seine Arbeit drucken ließ, erschien auch, ihm aber noch un 
bekannt, ein Aufsatz von Isabella Errera, der sich, angeregt durch L. A. Gandinis Veröffentlichung eines 
Stoffstückchens in Modena, ungefähr mit demselben Thema wie der Dresdener Forscher befaßt 351 . Von den 
von Isabella Errera zusammengestellten Stoffen kommen für uns folgende in Betracht: 1. Der Stoff in 
Modena. Auch seine Bildfläche ist durch Bandstreifen eingeteilt. Sie sind X-förmig, in der Mitte und an 
den Enden verknotet und mit den charakteristischen Schwarzweißstreifchen eingesäumt. Zwischen dem ersten 
und zweiten X zeigt sich das uns wohlbekannte Spitzoval, das ebenso eingefaßt ist, unten in zwei dünne 
Bandstreifen mit Hasenköpfchen an den Enden ausläuft und ein menschliches Brustbild einschließt. Zwischen 
dem zweiten und dem dritten X gibt es eine rhombische Zierform, gefüllt mit drei Spitzovalen und einem 
Rund, alle vier Gebilde mit den schwarzweiß gestreiften Bändchen eingesäumt. Den Raum füllen einzelne 
Vogelköpfchen, zwei symmetrisch aneinanderstoßende Kaninchenvorderteile und zwei durch einen einfachen 
Rankenbogen verbundene Kaninchenköpfchen. Die Ranke des oberen Saumes gleicht der unseres Vogelstoffes. 
2. Der Stoff aus Tongres. Auch hier ist die Bildfläche durch Bandstreifen zerlegt, und zwar durch solche, 
die etwa als locker nebeneinander gestellte, geschweifte und offene V verstanden werden können. An den 
Schäften eines jeden solchen V sitzen, einander zugekehrt zwei Drachenköpfe mit Ohren und herausgestreckten 
Zungen. Innerhalb der Schäfte eines V finden sich je ein Vogel und ein katzenähnliches Tier, die die Leiber 
voneinander ab- und die Köpfe einander zuwenden. Zwischen je zwei V unten steht je ein Bäumchen mit 
wagrechten Ästen, und rechts und links von einem solchen gibt es entweder zwei Vögel oder zwei Katzen 
oder einen Vogel und eine Katze. Der lilienähnliche Abschluß oben, die mehrfache Einschnürung des Stammes 
in der Mitte und die Spaltung an seinem unteren Ende kennzeichnen die Bäumchen hier als charaktervollere 
Vorgänger der schon ganz formlosen mit den wagrechten Ästen auf unserem Drachen- und Vogelstoff. 
Dieser Stoff ist schlecht erhalten und übel ergänzt. 3. Der Stoff aus Darmstadt. Auch hier ist die Bildfläche 
durch Bandstreifen eingeteilt. Sie haben hier ungefähr die Gestalt einer gestielten Lyra, deren beide Äste 
oben Zusammentreffen, um dann weit auseinanderzustreben. An ihren Enden sitzen Schlangenköpfe. Unten 
ragen über den vom Drachenstoff her bekannten Dreiecken Bäumchen mit wagrechten Ästen empor, das 
erste und das dritte sehen wie Patriarchenkreuze aus. Rechts und links von diesen Bäumchen sind Vögelchen 
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angebracht. In den Bäuchen der Leiern stehen Figürchen, die noch viel roher als die auf unseren Stoffen sind. 
Alle diese drei Stoffe scheinen, so eng sie auch nicht bloß durch ihre Technik, sondern auch, wie 
selbst die obige knappe Beschreibung dargetan haben wird, durch ihre Motive mit den goldenen Futterstoffen 
des Kaisermantels verknüpft sind, beträchtlich einfacher und unbeholfener zu sein als diese. Der Brüsseler 
Stoff (Figur 5 bei Errera) ist gleich Kumsch e, und der Pariser (Figur 6) und der Berliner (Figur 8) sind 
Stücke desselben Gewebes und beide gleich Kumsch d. Der Auctrix Ergebnis, daß der Modeneser Stoff 
eine byzantinisch beeinflußte arabische Arbeit des IO. bis II. Jahrhunderts sei, wird dahin richtigzustellen 
sein, daß er um IIOO von Sarazenen in Palermo hergestellt wurde. Ihre Mutmaßung, daß die von Bock ver 
öffentlichte foederatura des Kaisermantels, der Sündenfall Stoff, trotz der Inschrift außen am Mantel vielleicht doch 
aus Ägypten stammen könne, darf wohl auf Grund des oben Beigebrachten als widerlegt angenommen werden. 
Zum Schlüsse sei nur noch ein Stoff erwähnt, den Bock als in seiner Sammlung befindlich in seiner 
»Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters« bespricht und abbildet 352 . Dieser Stoff gehört zwar 
insoferne nicht hieher, als sein Muster gestickt, in Gold und Silber gestickt ist. Andererseits aber ist es wieder 
mit unserem Drachenstoff verwandt, weil es der Hauptsache nach aus zwei verschlungenen Drachen besteht. 
351 L. A. Gamlini, Di un antico tessuto trovato nel Monastero di S. Pietro in Modena, in der Rassegna d’Arte. Il.Jahrg. 
(Mailand 1902), S. 85 f. Isabella Errera, La stoffa di Modena. In derselben Zeitschrift, III. Jahrg. (1903), S. 59 ff. Beide Arbeiten 
zitiert bei Rudolf Berliner, Die Reste eines Kleidungsstückes Kaiser Heinrichs II. [Aus der mittelalterlichen Sammlung des 
Bayerischen Nationalmuseums, im Münchner Jahrbuch, XII (1921), Anmerkung 38 auf S. 59.] 
352 Franz Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters. I. Bd. (Bonn 1859), S. 175 ff. und Taf. V. 
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