Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. (1529 – 1595) von 1596
Eine datenbankbasierte Edition der Inventarhandschrift des Kunsthistorischen Museums Wien.
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Kodikologische Daten zur Handschrift
Inventarnummer: Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, KK 6652
Einband: Leder über Karton
Maße: 335 × 240 × 117 mm
Dekor: Vorderdeckel mit großem Wappen Erzherzog Ferdinands II. mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies und dem österreichischen Erzherzogshut; die vier Ecken sind jeweils durch Ornamentbandwerk geziert; Wappen und Ornamente in Goldprägung zwei Metallschließen.
Papierblock: 736 Blatt: die Folierung beginnt mit der Einleitung (fol. 1); das eigentliche Inventar beginnt mit fol. 3 und endet mit dem „Memorial“ (3 Seiten, unfoliert) und der „Tabulatur“ (4 Seiten, unfoliert).
Signaturen: Auf der Innenseite des Vorderdeckels handschriftlich mit Bleistift „N.273 a Supplem. Invent. P 67 X B I“, überschrieben mit Tinte „N.273 a Supplem. Invent. P 67“. Ein kleines Etikett mit der jetzigen Inventarnummer der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien „6652“ wurde eingeklebt. Darunter findet sich in Bleistift und unterstrichen die Jahreszahl „1596.“ Mittig, in blauem Buntstift und unterstrichen erneut die Jahreszahl „1596.“ Der Stempel „BIBLIOTHEK DER kunsthistorischen Sammlungen DES ALLH. KAISERHAUSES“ wurde getilgt.
Provenienz: Inventarbuch Ambraser Sammlung von 1875, XXa, 57a, S. 409; 1817 aus Innsbruck an die „Ambraser Sammlung“ (Unteres Belvedere), Ambraser Supplement Inventar, S. 67, Nr. 273.
Entstehung und Inhalt
Erzherzog Ferdinand II., Landesfürst von Tirol, starb am 24. Jänner 1595 in Innsbruck. Erst ein Jahr später, am Beginn des Jahres 1596, wurde mit der kaiserlich angeordneten Inventarerstellung begonnen. Aufgenommen wurden alle „mobilien“ und „varnussen“, also alle beweglichen Güter, aus dem fürstlichen Besitz in Schloss Ruhelust, der Innsbrucker Burg, Schloss Ambras und den Jagdschlössern am Achensee und in Thurnegg. Die Schreiber – vermutlich Beamte und keine Kunstsachverständige – wurden bei ihrer Arbeit von den Verantwortlichen der jeweiligen Gebäude begleitet, wobei sie teilweise auf bereits bestehende unvollständige Inventare (beispielsweise Kleider- und Rüstkammerinventare) zurückgreifen konnten. Die Aufzeichnungen wurden im Anschluss einem Kanzleischreiber übergeben, der die vorliegende einheitliche Abschrift anfertigte.
Das Inventar gibt Auskunft zur Raumaufteilung der einzelnen Gebäude, zum Inhalt der Sammlungen (Rüstkammern, Kunst- und Wunderkammer und Bibliothek), zur konkreten Nutzung der Räume und zur jeweiligen Ausstattung mit Mobiliar, Textilien, Kunst- und Alltagsgegenständen.
Ruhelust
Östlich der Innsbrucker Burg entstand bereits in der Regierungszeit Kaiser Ferdinands I. († 1564) die sogenannte „ältere (obere)“ Ruhelust, womit mehrere Sommerhäuschen und ein Lustgarten gemeint waren. Zwischen 1565 und 1582 ließ Erzherzog Ferdinand II. († 1595) daran einen neuen Trakt, die „untere (neue) Ruhelust“ anbauen, später einen Teil aufstocken. Zeitgenössische Abbildungen sind nicht erhalten, 1636 wurde das Gebäude durch einen Brand größtenteils zerstört. Auf einem Kupferstich von Matthäus Merian (Fürstliche Grafschaft Tyrol) aus dem Jahr 1649 ist bereits der von Erzherzogin Claudia († 1648) in Auftrag gegebene Neubau zu sehen.
Alte Burg (Hofburg)
Als Schöpfer der Innsbrucker Burg gilt Sigmund der Münzreiche († 1496) Durch umfangreiche Baumaßnahmen wurde die Burg in der Zeit Kaiser Maximilians I. († 1519) erweitert. Als Landesfürst von Tirol ließ Erzherzog Ferdinand II. (†1595), der bereits zehn Jahre seiner Jugend (1533-1543) hier verbracht hatte, die mittelalterliche Burg erneut vergrößern und modernisieren. Zur Zeit Erzherzog Leopolds V. (†1632) befand sich die Burg bereits in einem desolaten Zustand, ein geplanter Abriss kam aus Geldmangel aber nicht zustande. Unter Kaiserin Maria Theresia (†1780) wurde die Hofburg barockisiert, sie erhielt in dieser Zeit im Wesentlichen ihr heutiges Erscheinungsbild.
Achenthal
Der erste Jagdansitz in Pertisau am Achensee geht vermutlich auf Sigmund den Münzreichen († 1496) zurück. Auch Kaiser Maximilian I. (†1519) nutzte dieses Gebäude bei zahlreichen Jagdausflügen. Abbildungen von diesen Vergnügungen finden sich im Tiroler Fischereibuch (ÖNB, Codex 7962). In der Regierungszeit Erzherzog Ferdinands II. (†1595) wurde ein neues Lusthaus (Fürstenhaus) mit den dazu notwendigen Wirtschaftsräumen errichtet. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird das ehemalige Fürstenhaus als Hotel genutzt, aus diesem Grund mehrfach verändert und erweitert. Im Inventar wird zusätzlich noch das Rote Jagdhaus in Eben erwähnt.
Schloss Ambras
Die bereits aus dem 11. Jahrhundert bekannte mittelalterliche Burg Amras wurde 1133 zerstört, in der Folge aber wieder aufgebaut und ab dem 15. Jahrhundert von verschiedenen Landesfürsten genutzt. Erzherzog Ferdinand II. (†1595) ließ das sogenannte „Hochschloss“ als Wohnsitz für seine Familie herrichten. Zur fürstlichen Repräsentation wurde ein großer Saal (im 19. Jahrhundert als „Spanischer Saal“ bezeichnet), für sportliche Vergnügungen ein Ballhaus errichtet. Ein südwestlich des Hochschlosses neu erbauter Gebäudetrakt (das sogenannte „Unterschloss“) war für die Unterbringung der fürstlichen Rüstkammern, der Kunstkammer und der Bibliothek gedacht. Bis auf die Heldenrüstkammer und das Ballspielhaus ist der gesamte Gebäudekomplex von Schloss Ambras heute noch erhalten.
Die historische Kunstkammer in Schloss Ambras
Thurnegg
Erzherzog Ferdinand II. (†1595) ließ Schloss Thurnegg (bei Rotholz/Jenbach im Tiroler Unterland) zwischen 1575 und 1578 an Stelle einer mittelalterlichen Wehranlage als Jagdschloss errichten und von fürstlichen Künstlern und Handwerkern ausstatten. Im 18. Jahrhundert wurde der Ansitz vergrößert und barockisiert, seit 1879 befindet sich in diesem Gebäude eine landwirtschaftliche Schule.
Transkription
Die Transkription behält die bestehende zeitgenössische Formatierung in Bezug auf Überschriften, Absätze, Zeilen und Worttrennung bei. Die Groß- und Kleinschreibung entspricht der Quelle, im Zweifelsfall wurde die heutige Rechtschreibung verwendet. Dem heutigen Gebrauch gemäß wurden u und v normalisiert (beispielsweise „vnd“ zu „und“), i am Wortende wurde als solches (und nicht als j) wiedergegeben. Kürzungszeichen (er, en) und Verdoppelungen (m, n mit Oberstrich) wurden aufgelöst. Das häufig in den Überschriften verwendete Worttrennungszeichen (=) wurde durch das heute gebräuchliche - ersetzt, das nach Überschriften mitunter übliche Abschlusszeichen (./.) blieb unberücksichtigt. Die Schreibung der Eigennamen und Fremdwörter entspricht der Quelle. Die im Text verwendeten Abkürzungen (Fr. Dt; K. Mt.; Fr. G. etc.) wurden beibehalten, im Verzeichnis findet sich deren Auflösung. Die originale Blattzählung am rechten oberen Blattrand wurde mit r für recto und v für verso versehen. Zeitgenössische Anmerkungen wurden wiedergegeben, spätere Vermerke dagegen nicht. Ergänzungen finden sich in eckigen Klammern.
Edition
Das Nachlassinventar stellt eine sehr bedeutende kulturhistorische Quelle dar, weil es im Unterschied zu anderen zeitgenössischen Inventaren zusätzlich zur Beschreibung der Objekte auch klare topografische Informationen liefert. Das heißt, es ermöglicht auch die Rekonstruktion der ursprünglichen, inzwischen veränderten, mitunter auch nicht mehr erhaltenen Gebäude- und Raumsituationen. Die Beschreibung der Raumabfolgen, der Ausstattung der einzelnen Zimmer mit alltäglichen, aber auch außergewöhnlichen Objekten gibt Einblick in die Wohnsituation eines habsburgischen Fürsten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die in unterschiedlicher Genauigkeit beschriebenen Objekte in den Rüstkammern, der Ambraser Kunstkammer und in privaten Räumlichkeiten erlauben Identifizierungen von heute noch in den Sammlungen des KHM-Museumverbandes oder anderen Institutionen erhaltenen Objekten.
Die Edition beinhaltet das gesamte Inventar, ausgenommen davon ist die Beschreibung der Bücher in der Ambraser Bibliothek (fol. 564r–682v). Die Transkription dieses Abschnittes und die Zuordnung der noch erhaltenen Bücher wurden bereits von Ivo Purŝ und Hedvika Kachařová 2015 publiziert.
Grundlage für die vorgenommenen Objektzuschreibungen waren die bislang publizierte Literatur, spätere Inventare und die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kurator*innen der einzelnen Sammlungen des KHM-Museumverbandes. Genannt seien an dieser Stelle Franz Kirchweger, Paulus Rainer, Konrad Schlegel und Katja Schmitz-von Ledebur für die Kunstkammer, Fabian Brenker und Stefan Krause für die Hofjagd- und Rüstkammer, Beatrix Darmstädter für die Sammlung alter Musikinstrumente, Guido Messling und Francesca Del Torre Scheuch für die Gemäldegalerie, Claudia Augustat, Gerard van Bussel, Nadja Haumberger und Bettina Zorn für das Weltmuseum Wien und Thomas Kuster, Katharina Seidl und Veronika Sandbichler für die Sammlungen Schloss Ambras. Hanna Schneck, Leiterin der KHM-Bibliothek, fungierte als Bindeglied zu Goobi, die Verantwortlichen von TMS (Peter Kloser, Werner Mahlknecht und Henje Richter) waren bei der Erstellung der Datenbank behilflich.
Die vorliegende Edition ermöglicht nun ein Lesen der originalen Seite parallel zur dazugehörigen Transkription und den zeitgenössischen Kommentaren. Bei heute noch vorhandenen Objekten bietet der Link zur Online Sammlung des Kunsthistorischen Museums die Möglichkeit zum Abruf von Abbildungen und weiterführenden Informationen.
Diese Edition ist kein abgeschlossenes Projekt, neue Zuordnungen werden weiterhin Eingang in diese Datenbank finden.